2016/10/11

Der CYGNUS-Raumtransporter Orb 6 mit dem Vorgänger-Experiment SAFFIRE I kurz vor dem Ankoppeln an die ISS im März 2016. (Quelle: NASA)

Ein Ingenieursteam des NASA Glenn Research Centers in Cleveland bei Tests am SAFFIRE II-Experiment. Die mittlere der drei sichtbaren, grün leuchtenden Proben ist die des ZARM. Die obere Probe ist ebenfalls aus Acrylglas, hat die gleichen Abmessungen jedoch ohne Strukturen und dient als Referenzexperiment. (Quelle: NASA)

Results of first large-scale fire in Space

- sorry, only available in German -

Neueste Updates:

+++ 24.11.2016, 16:45 Uhr: Die ersten Ergebnisse +++

Als die ersten Bilder des SAFFIRE II-Experiments zur Verbrennung einer Plexiglasprobe an Bord des CYGNUS-Raumtransporters das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen erreichen, macht sich große Erleichterung breit. Der Versuchsaufbau im Weltraum hat funktioniert: die Luftströmung setzte zum richtigen Zeitpunkt ein, der Heizdraht hat geschaltet und die Probe entzündet, nach dem Ausschalten des Zündungsvorgangs brannte die Probe zunächst nur sehr schwach weiter, erholte sich dann jedoch und entwickelte sich zu dem Feuer, dass es jetzt zu untersuchen gilt.

Bereits die ersten Bewertungen der ZARM-Wissenschaftler zeigen große Unterschiede zu den Ergebnissen, die mit gleichen Materialproben im Labor unter terrestrischen Bedingungen erzielt wurden. Während bei einem Feuer am Boden scharf konturierte, kontrastreiche und stark züngelnde Flammen zu erkennen sind, sieht es bei SAFFIRE II wie durch eine Milchglasscheibe betrachtet aus – die Flammen sind kaum strukturiert, mit samtigen Übergängen und in ihren Bewegungen deutlich verlangsamt. Schnell werden aber noch wichtigere Unterschiede sichtbar: So breitet sich das Feuer an Bord von CYGNUS rund 10 Mal langsamer aus als im Versuchslabor auf der Erde, und während Plexiglas am Boden sehr raucharm verbrennt, entwickelt es in der Schwerelosigkeit enorm viel Rauch – ein Aspekt, der naheliegend nicht nur sicherheitsrelevant ist, sondern jetzt auch die Auswertung von SAFFIRE II für die Wissenschaftler erschwert. Denn im Unterschied zu einem Bodenversuch, bei dem die aufsteigende, sichtbare Flamme die darunter liegende Zone der Ausgasung brennbaren Pyrolysegases verdeckt, ist die Flamme unter Schwerelosigkeit jetzt nicht nur sehr viel kürzer, auch die Pyrolysezone breitet sich weit vor der Flamme aus.

Genau dies liefert einen wichtigen Hinweis auf die Problematik von Bränden im Weltraum: Durch die langsamere Ausbreitung und die schwächere Turbulenz des Feuers, beides Effekte, die durch die fehlende Auftriebskonvektion in der Schwerelosigkeit begründet sind, wird der Materialprobenbereich unter der Flamme und auch weit vor der Flamme wesentlich stärker erhitzt als am Boden. Hierdurch dringt ein Feuer nicht nur tiefer in das Material ein, die stärkere Aufheizung kann auch die Einstufung der Materialeigenschaft von „selbstverlöschend“ nach „brennbar“ verschieben. Ein solches Feuer in einer Raumstation würde sich selbst somit deutlich stärker erhitzen und länger brennen.

Diese stärkere Aufheizung macht sich bei SAFFIRE II auch in einer Verformung der Materialprobe bemerkbar. Die eingebrachten Strukturen in der Oberfläche deformieren sich bereits in einem Bereich, der viel weiter vor der Flamme liegt als dies im Bodenversuch der Fall ist.

Dass eine erste Einschätzung der Ergebnisse schon nach wenigen Stunden möglich ist, freut das ZARM-Team sehr. Die während des 11 Minuten dauernden Weltraum-Experiments generierten Daten aus Sensormessungen – wie Anströmgeschwindigkeit und -temperatur des Luftstroms, Sauerstoffkonzentration, Druck, Luftfeuchtigkeit und Strahlungsdichte – sowie die rund 20.000 Einzelfotos erfordern nun jedoch einen längeren Auswertungsprozess. Einmal abgeschlossen und in einer wissenschaftlichen Studie veröffentlicht, wird dieser in die Konzeption des Folge-Experiments SAFFIRE V einfließen, um schließlich essentielle Hinweise für die Brandsicherheit auf bemannten Raumfahrzeugen zu liefern.

Weiterführendes Bild- und Videomaterial unter folgenden Links:

  • filexchange.zarm.uni-bremen.de/show.php
  • Untertitel Video "ZARM_SAFFIRE-2": Die Flammen an der SAFFIRE II-Plexiglasprobe sind kaum strukturiert, mit samtigen Übergängen und in allen Bewegungen deutlich verlangsamt. Gut zu erkennen ist ebenfalls die kurze Länge der Flamme  und die deutlich von der Flamme entfernt liegende Pyrolysezone. (Quelle: ZARM)
  • Bildunterschrift "ZARM-Saffire-2_Flammen": Neben den ersten Ergebnissen halten die rund 20.000 Bilder des Weltraum-Experiments auch ein paar Überraschungen bereit. So sehen die Wissenschaftler in den Flammenfotos nicht nur Vulkane, die wie unter einer dunkelroten Wolkenschicht ausbrechen, sondern finden bei der genauen Bild-für-Bild-Betrachtung auch ab und zu kleine „lachende Lebewesen“, die beim Experimenteinbau in die CYGNUS-Raumkapsel noch nicht an Bord waren. (Quelle: ZARM)
  • Animation des Missionsverlaufs und des SAFFIRE II-Experiments in englischer Sprache: www.youtube.com/watch (Quelle: NASA Glenn Research Center)
  • Abdocken des CYGNUS-Raumtransporters von der ISS am 21. November 2016, wenige Stunden später wurde das SAFFIRE II-Experiment gestartet: https://www.youtube.com/watch?v=6GvM8LXVg_U (Quelle: NASA)
  • Für die Pressemitteilung vom 11.10.2016 mit einer ausführlichen Beschreibung des SAFFIRE II-Experimentaufbaus und der CYGNUS-Mission bitte nach unten scrollen

Ansprechpartner für inhaltliche Fragen:
Christian Eigenbrod
Leitung der Forschungsgruppe „Aerospace Combustion Engineering“
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, Universität Bremen
christian.eigenbrod(at)zarm.uni-bremen.de
Tel.: 0421 218-57780

Ansprechpartnerin für allgemeine Presseanfragen:
Dr. Lucie-Patrizia Arndt
lucie-patrizia.arndt(at)zarm.uni-bremen.de

Tel.: 0421 218-57817

 

+++ 21.11.2016, 11:00 Uhr +++

Nachdem gerade erst die neue Raumstation-Besatzung auf der ISS angekommen ist, werden dort oben nun die Vorbereitungen für das Abdocken der CYGNUS-Kapsel getroffen. In der Kapsel befinden sich nicht nur Abfälle und nicht mehr benötigtes Equipment, die Richtung Erde auf den Weg geschickt werden, um beim Eintritt in die Atmosphäre zu verglühen. Es ist auch ein Experiment an Bord, das zum ersten Mal Daten darüber sammelt, wie sich ein Feuer verhält, wenn es unter Umgebungsbedingungen, die denen auf der ISS entsprechen, kontrolliert gezündet wird (siehe Pressemitteilung vom 11.10.2016).

Hier der geplante Ablauf:

Über den weiteren Experimentverlauf und die Auswertungsphase der Daten halten wir Sie auf dem Laufenden.

 

+++ 18.10.2016, 2:00 Uhr +++

Der Start der Antares Rakete erfolgte um 1:45 Uhr (MESZ) nach Plan. Das Andocken der CYGNUS-Raumkapsel an die ISS wird nun für Sonntag, 23.10.2016 erwartet.

 

+++ 16.10.2016 +++

Ein defektes Versorgungskabel der Bodenstation an der Startrampe, die die Rakete vor dem Start mit dem Kontrollzentrum verbindet, verursacht eine Verzögerung des Raketenstarts um 24 Stunden. Ersatzteile seien vor Ort und ein Technikerteam habe bereits mit der Reparatur begonnen, wie NASA und Orbital ATK bekannt geben. Neuer Starttermin:

 

+++ 13.10.2016 +++
Der Tropensturm Nicole über den Bermudas erfordert eine erneute Verschiebung des Raketenstarts:

  • Montag, 17. Oktober 2016, 2:05 (MESZ) / 16. Oktober 2016, 8:05 p.m. (EDT): Raketenstart in Wallops Island, Virginia, USA

 

+++ 12.10.2016 +++
Die Lösung kleinerer, technischer Probleme und die Vorbereitungen auf mögliche Auswirkungen des Hurricanes Matthew führen zu einer Verzögerung des Raketenstarts und des Andockmanövers der CYGNUS-Raumkapsel an die ISS von einem Tag. Neuer Starttermin:

  • Samstag, 15. Oktober 2016, 2:51 (MESZ) / 14. Oktober 2016, 8:51 p.m. (EDT): Raketenstart in Wallops Island, Virginia, USA
  • Montag, 17. Oktober 2016, 12:05 (MESZ) 16. Oktober 2016, 6:05 a.m. (EDT): Andocken von CYGNUS an die ISS

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Pressemitteilung vom 11. Oktober 2016

Großbrand in einer Raumkapsel: Experiment zur Feuersicherheit auf der ISS startet ins All

Am 14. Oktober 2016 wird um 3:15 Uhr (MESZ) ein CYGNUS-Raumtransporter der US-amerikanischen Firma Orbital ATK auf einer Antares 230 Rakete von Wallops Island, Virginia, zur Internationalen Raumstation ISS starten. Der Inhalt des Transporters ist für das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen von besonders großem Interesse. Neben den Verbrauchsgütern zur Versorgung der Astronauten befindet sich unter den wissenschaftlichen Experimenten auch der internationale Versuchsaufbau SAFFIRE II, an dem das ZARM mit einer großen Materialprobe beteiligt ist. Angezündet im All soll sie Aufschluss über die Ausbreitung von Feuer auf bemannten Raumfahrzeugen geben.

Das Experiment:

Den Hintergrund zu SAFFIRE II bilden die Bemühungen eines internationalen Wissenschaftsteams aus den USA, Russland, Japan und Europa um ein besseres Verständnis der Verbrennung fester Materialien in der Schwerelosigkeit. Die ZARM-Wissenschaftler fokussieren sich mit ihrem Beitrag insbesondere auf die Frage nach der Feuersicherheit auf bemannten Raumfahrzeugen. Zwar gibt es Prüfmethoden, nach denen derzeit Materialien zum Bau von Raumfahrzeugen qualifiziert werden, jedoch ist die Aussagekraft von Ergebnissen, die in einem Labor auf der Erde erzielt werden und dann 1:1 auf die Gegebenheiten auf einer Raumstation im Weltall übertragen werden, stark zu bezweifeln: An Bord einer Raumstation brennt ein Feuer deutlich schwächer als am Boden und die Ausbreitung ist stark verlangsamt, örtlich wird es aber viel heißer, da der fehlende Auftrieb in der Schwerelosigkeit die heißen Abgase nicht von der Brandstelle fortträgt. Ein Material, das im Erdlabor von selbst verlischt, kann also auf einer Raumstation im All durchaus weiter brennen. Auch sehen die bisherigen Standardtests nur die Untersuchung glatter, ebener Proben vor. Unsere alltägliche Erfahrung zeigt uns jedoch, dass Ecken und Kanten leichter Feuer fangen als eine Fläche. Daher ist die Brandgefahr im Inneren einer Raumstation, die nicht vollkommen glatt und ohne Strukturen ist, auch wahrscheinlich höher als die bisherigen Testverfahren vermuten lassen.

Im Rahmen des internationalen SAFFIRE II Experiments, welches von der NASA geleitet und finanziert wird, untersucht das ZARM daher den Verbrennungsfortschritt sowie die Flammenausbreitung einer großen Acrylglasprobe mit strukturierter Oberfläche, die in einem offenen Windkanal bei einer Luftgeschwindigkeit – ähnlich der der Klimaanlagen an Bord der ISS – entzündet und beobachtet wird. Bisher konnten solche Experimente nur an sehr kleinen Proben unter großen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden; die Frage nach der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ein großes, offenes Feuer blieb jedoch unbeantwortet. Erst im Jahr 2011 ist mit der Idee zum SAFFIRE-Experiment die Überlegung entstanden, derartig gefährliche Versuche auf einem Raumtransporter durchzuführen, der am Ende ohnehin in der Erdatmosphäre verglühen wird. Mit der CYGNUS-Kapsel steht somit nicht nur eine für die Forschungsfrage der ZARM-Wissenschaftler optimale Umgebung zur Verfügung, auch die enormen Kosten für eine eigenständige Weltraummission können drastisch reduziert werden.

Der Missionsverlauf und die Experimentserie:

Der CYGNUS-Raumtransporter koppelt zunächst am 16. Oktober 2016 an die Raumstation an, wird von den Astronauten der ISS entladen, mit Abfällen und nicht mehr benötigtem Equipment beladen und voraussichtlich am 18. November 2016 zur Erde zurückgeschickt, wo er wenig später beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen wird. In der Zeit zwischen dem Abdocken von der ISS bis zum Wiedereintritt und Verglühen wird das SAFFIRE-Experiment an Bord des Transporters gestartet, die Materialprobe des ZARM entzündet und die Daten zum Boden übertragen.

Doch soll es nicht allein bei einem Experiment bleiben. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, wird SAFFIRE als Experimentserie auf sechs Flügen von CYGNUS-Raumtransportern im Zeitraum zwischen 2016 und 2019 durchgeführt werden. Die Erwartungen der ZARM-Wissenschaftler sind immens groß, handelt es sich doch um bahnbrechende Experimente – die Bremer Forscher und ihre Kolleginnen und Kollegen legen mit SAFFIRE II den ersten echten Brand im Weltraum.

Mit großer Spannung blickt das ZARM auch auf den Raketenstart an sich. Der letzte Start der Antares 130 Trägerrakete im Oktober 2014 missglückte, die Rakete stürzte ab, wurde völlig zerstört und das Launch-Pad schwer beschädigt. Am 14. Oktober 2016 soll sich nun die Nachfolgerakete Antares 230 zum ersten Mal bewähren. Sie ist in der Stufe mit zwei russischen RD 181 Motoren ausgestattet.

Auf einen Blick:

  • 14. Oktober 2016 ab 2:15 (MESZ) / 13. Oktober 2016 ab 8:15 p.m. (EDT): Countdown für den Raketenstart in Wallops Island, Virginia, USA
  • 16. Oktober 2016 ab 11:45 (MESZ) / 16. Oktober 2016 ab 5:45 a.m. (EDT): Andocken von CYGNUS an die ISS
  • 18. November 2016 (Uhrzeit tbd): Abdocken der CYGNUS-Kapsel und Durchführung des SAFFIRE II-Experiments
  • Live-Stream des Raketenstartshttp://www.nasa.gov/multimedia/nasatv/#public
  • Animation des Missionsverlauf und des SAFFIRE II-Experiments in englischer Sprache: https://www.youtube.com/watch?v=0JkQ12JluJ0 (Quelle: NASA Glenn Research Center)

 

Ansprechpartner für inhaltliche Fragen:

Christian Eigenbrod
Leitung der Forschungsgruppe „Aerospace Combustion Engineering“
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, Universität Bremen
christian.eigenbrod(at)zarm.uni-bremen.de
Tel.: 0421 218-57780

 

Ansprechpartnerin für allgemeine Presseanfragen:

Dr. Lucie-Patrizia Arndt
lucie-patrizia.arndt(at)zarm.uni-bremen.de
Tel.: 0421 218-57817

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